Anleitung zur Nutzung der Online-Analyse

Im Folgenden werden die Möglichkeiten der einzelnen graphischen Darstellungstypen der Online-Analyse präsentiert. Dies soll die Nutzung der Online-Analyse-Tools der Demokratiematrix vereinfachen. Es lassen sich zwei grundsätzlich verschiedene Nutzungsalternativen unterscheiden: Während der Profilvergleich eine schnelle Übersicht über die Stärken und Schwächen innerhalb der Demokratiequalität von Ländern gibt, gestattet der Zeitvergleich die Analyse von Entwicklungen von Merkmalen der Demokratiequalität über die Zeit (ab 1900).  



1. Profilvergleich

Die Matrixdarstellung

Die Matrixdarstellung ist eine direkte Visualisierung des Konzepts der Demokratiematrix. Die jeweiligen Werte der Demokratiequalität eines Landes werden für alle Matrixfelder angezeigt. Diese Darstellungsform ist besonders für die Veranschaulichung von Transformations- und Demokratieprofilen geeignet.  Die Skala (0-1) steigt von unten nach oben an, so dass hohe Werte auch eine hohe Demokratiequalität bedeuten. Dementsprechend markieren niedrige Werte eine geringe Demokratiequalität. Die Skalenwerte werden zudem farblich abgestuft: niedrige Demokratiewerte erscheinen in roter Farbe, der mittlere Bereich in gelber Farbe und hohe Werte werden grün eingefärbt. Schließlich wird im Titel der Abbildung auch die sich für den Fall ergebende Regimeklassifizierung angezeigt.

Um ein Gesamturteil über die Demokratiequalität des ausgewählten Falles zu erhalten, sind nicht nur die einzelnen Matrixfelder von Bedeutung, sondern auch die aggregierten Werte für die Institutionen und Dimensionen wichtig. So ist es durchaus möglich, dass ein Land zwar hohe Gleichheitswerte für die Entscheidungsverfahren im Sinne eines umfangreichen Wahlrechts aufweist, jedoch die Wahlen an sich aufgrund von Wahlmanipulationen oder Zulassungsbeschränkungen nicht als frei gewertet werden können. Dies führt zu einer niedrigen Demokratiequalität der Entscheidungsverfahren insgesamt, was sich in den aggregierten Dimensions- und Institutionswerte ausdrückt, die das Zusammenspiel zwischen den einzelnen Matrixfeldern abbilden und damit eine integrative Perspektive auf die Demokratiequalität wahren.

Die Matrixdarstellung bietet unterschiedliche Optionen: Sie können verschiedene Länder, verschiedene Messzeitpunkte sowie verschiedene Messniveaus auswählen. Es kann nicht nur ein Land zu einem Jahr und Messniveau isoliert betrachtet werden, sondern die Darstellung kann um eine zweite Matrix erweitert werden. Dies erlaubt den Vergleich eines Falles zu unterschiedlichen Zeitpunkten bzw. über unterschiedliche Messniveaus hinweg oder auch der Vergleich zweier unterschiedlicher Fälle. Die Matrixdarstellung starten.

Das Netzdiagramm

Dieser Diagrammtyp ist ähnlich zur Matrixdarstellung. Die Demokratiequalität für die 15 Matrixfelder, der Institutionen oder der Dimensionen werden in Form eines Spinnennetzes angezeigt. Im Gegensatz jedoch zur Matrixdarstellung lässt sich ein Vergleich zwischen mehreren Ländern besser visualisieren, da die Werte der Fälle direkt auf der gleichen Achse in Bezug gesetzt werden. Dies ist vor allem im Zusammenhang mit dem Demokratieprofilen im Sinne der Trade-off-Messung hilfreich.

Es lässt sich jeweils nur ein Wert für das Jahr, das Messniveau sowie das Variablenset auswählen. Das Variablenset erlaubt das Umstellen auf die Daten für die 15 Matrixfelder, der fünf Institutionen oder der drei Dimensionen. Schließlich können mehrere Länder gleichzeitig selektiert werden, um einen Vergleich zu ermöglichen. Das Netzdiagramm öffnen.


2. Zeitvergleich

Der Ländergraph

Mit dem Ländergraphen können im Gegensatz zu den Profilvergleichsdarstellungen Zeitreihen einfacher visualisiert werden. Es erlaubt den Vergleich der Entwicklungen mehrerer Aspekte innerhalb eines Landes im Zeitverlauf. Die zeigt, ob sich einzelne Merkmale der Demokratiematrix in einem Land gleichmäßig oder unterschiedlich entwickelt haben. Dafür wird ein Liniendiagramm verwendet, bei dem die Jahre auf der x-Achse und das Merkmalsniveau auf der y-Achse abgetragen werden. Die Merkmale werden in unterschiedlichen Farben kenntlich gemacht. Im Einstellungsmenü ist die Auswahl auf ein Land beschränkt, während verschiedene Variablen selektiert werden können. Die Analyse mit Hilfe des Ländergraphen beginnen.

Der Variablengraph

Der Variablengraph dient ebenso wie der Ländergraph zur Veranschaulichung von Zeitreihen. Dies ist besonders sinnvoll, da der Datensatz der Demokratiematrix einen Zeitraum ab 1900 umfasst. Beim Variable Graph kann der zeitliche Verlauf einer einzelnen Variable zwischen mehreren Ländern angezeigt werden. Es handelt sich um ein einfaches Liniendiagramm, wobei auf der y-Achse der Wert der ausgewählten Variable abgetragen wird, während die x-Achse die Jahresdaten enthält. Die Länder werden durch unterschiedliche Farben markiert. Im Einstellungsmenü ist die Auswahl auf eine Variable der Demokratiematrix beschränkt, dagegen lassen sich mehrere Länder selektieren. In die Untersuchung mit dem Variablengraph einsteigen.

3. Anwendungsbeispiele

Die Vielfalt defizitärer Demokratien

Mit der Matrixdarstellung können Defizite von Demokratien schnell sichtbar gemacht und verglichen werden. In der Demokratieforschung werden verschiedene Subtypen dieser Defizite diskutiert. Wichtig ist dabei, dass die Regimemerkmale nicht so stark beschädigt sind, dass die demokratische Funktionsweise gänzlich verloren geht. Vielmehr ist es so, dass das Mindestmaß für eine Demokratie weiterhin gegeben ist, aber die Qualität nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeprägt ist, weshalb diese Merkmale folglich nicht als funktionierend, sondern defizitär bezeichnet werden. Vom Konzept der Demokratiematrix können drei „graduell verminderte Subtypen der defizitären Demokratie“ abgeleitet werden (Fachartikel in der IPSR erschienen). Die beschädigte Dimension verleiht dem Subtypus jeweils das Label.

Illiberale Demokratien: Freiheitsdefizite

Illiberale Demokratien zeichnen sich durch eine geringere Qualität der Dimension der Freiheit aus, wohingegen Gleichheit und Kontrolle stärker ausgeprägt sind. Dieser Subtypus hat in der dritten Demokratisierungswelle seit 1974 stark an Bedeutung gewonnen (vgl. Zakaria 1994: The Rise of Illiberal Democracy). Indonesien ist ein Beispiel für eine illiberale Demokratie, da mit Ausnahme der intermediären Vermittlung die Matrixfelder in der Spalte der Freiheit für alle Institutionen niedriger sind als die Matrixfelder in den Spalten der Gleichheit und Kontrolle. Die Dimensionsindizes verdeutlichen dies auf der aggregierten Ebene: Der Dimensionsindex für die politische Freiheit liegt mit 0.58 um 0.10 Skalenpunkte niedriger als der Dimensionsindex der Gleichheit (0.68) und sogar 0.15 Skalenpunkte niedriger als der Kontrollindex (0.73), was 10% bzw. 15% entspricht. Mit dem Ländergraph kann auch gezeigt werden, dass es sich im Zeitverlauf um ein stabiles Muster der indonesischen Demokratie handelt, da die Differenzen zwischen den Dimensionen zwar variieren, aber die Freiheitsdimension seit der Transition zur Demokratie 1999 immer deutlich niedriger ausgeprägt ist.

Inegalitäre Demokratien: Gleichheitsdefizite

Dahingegen charakterisiert inegalitäre Demokratien, dass die Werte für die Gleichheitsdimension von denen der Freiheits- und Kontrolldimension negativ abweichen. Dieser Subtypus war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in größerer Zahl vorhanden, da viele Demokratien noch große Teile der Bevölkerung – insbesondere Frauen – vom Wahlrecht ausgeschlossen hatten. Die Schweiz, die das Frauenwahlrecht auf nationaler Ebene im Jahr 1971 eingeführt hat sowie die Vereinigten Staaten von Amerika vor der Verabschiedung des Civil Rights Act von 1964 werden häufig als repräsentative Beispiele genannt. Mit der Matrixdarstellung können beide Fälle verglichen werden. Auch wenn ihre Zahl abgenommen hat und sie seltener in Reinform erscheinen, sind auch heutzutage noch inegalitäre Demokratien anzutreffen. Der Vergleich von Frankreich und Chile zeigt, dass im Gegensatz zum formalen Ausschluss des Wahlrechts die Ungleichbehandlung vor dem Gesetz das primäre Merkmale der inegalitären Demokratien in der Gegenwart geworden ist.

Unaccountable Democracies: Kontrolldefizite

Unaccountable Democracies weisen Defizite in der Kontrolldimension auf, wohingegen Freiheit und Gleichheit eher gegeben sind. Nach dem Wahlsieg der Fidesz und der Verfassungsneugebung in Ungarn 2010 lässt sich ein Rückgang der Qualität der Demokratie in allen Dimensionen boebachten, aber insbesondere der Kontrolldimension, weshalb es zwischenzeitlich ein gutes Beispiel für eine unaccountable democracy darstellt. In einer viel zitierten Rede kündigt Regierungschef Orban 2014 das Projekt einer „illiberalen Demokratie“ an. In der Demokratiematrix zeigen sich diese Reformbestrebungen durch die sinkenden Freiheitswerte, aber das primäre Defizit bleibt weiterhin der Mangel an politischer und legaler Kontrolle. Angesichts der insgesamt niedrigen Werte kann sich der Einschätzung von Boogards (2018) angeschlossen werden, der Ungarn als „diffusely defective democracy" bezeichnet, die Defizite in allen Teilbereichen offenbart.